LG Hagen erklärt Abschluss von Stromlieferverträgen mit „Opt-in“-Klausel und Übertragung des Auswahlrechts für den Messstellenbetreiber in Mietverträgen des Vonovia-Konzerns für unzulässig

(vom 30.11.2020)

Das LG Hagen hat im Rahmen eines lauterkeitsrechtlichen Prozesses die zur Vonovia SE gehörende GAGFAH GmbH, Vonovia Kundenservice GmbH und Vonovia Energie Service GmbH verurteilt, es zu unterlassen, in Mietverträgen eine „Opt-in“-Klausel zum Abschluss des Stromliefervertrages sowie eine Klausel zur automatischen Übertragung des Auswahlrechts des Mieters für den Messstellenbetreiber auf die GAGFAH GmbH zu verwenden bzw. sich auf die Klauseln zu berufen. Des Weiteren hat es die Vonovia Energie Service GmbH zu unterlassen, von Kunden Vorauszahlungen statt der nach den „AGB Stromlieferung“ vereinbarten Abschlagszahlungen zu verlangen.

 

Ein kommunaler Energieversorger wehrt sich damit zum zweiten Mal erfolgreich gegen unlauteres geschäftliches Handeln der GAGFAH GmbH, Vonovia Kundenservice GmbH und Vonovia Energie Service GmbH. Die Unterlassungsgebote sind örtlich beschränkt, dürften jedoch der Sache nach für eine große Anzahl andere Liegenschaften der Vonovia deutschlandweit gelten und so auch von anderen Lieferanten und Messstellenbetreibern als Wettbewerbsverstoß erfolgreich geltend gemacht werden können.

Kein Abschluss von Stromlieferverträgen durch „Opt-In“-Klausel im Mietvertrag

Konkret ging es in der Sache um einen nicht unterzeichneten 16seitigen Formular-Mietvertrag der GAGFAH GmbH, den die Vonovia Kundenservice GmbH als Stellvertreterin der GAGFAH GmbH dem Wohnungsinteressenten mit einer Vielzahl anderer Unterlagen zukommen lässt. Auf Seite 14 des Mietvertrages besteht unter § 22 für den Wohnungsinteressent die Möglichkeit, ein Feld anzukreuzen, um sich in der anzumietenden Wohnung von der Vonovia Energie Service GmbH mit Strom beliefern zu lassen. Preise, Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten sowie alle sonstigen Regelungen des Stromliefervertrages muss der zukünftige Mieter den „AGB Stromlieferung“ entnehmen. Mit ein- und derselben Unterschrift sollte der Wohnungsinteressent den Mietvertrag und den Stromliefervertrag abschließen.

Eine rechtliche Problematik des Falls besteht darin, dass die GAGFAH GmbH als Vermieterin und die Vonovia Kundenservice GmbH als Dienstleisterin tätig sind und nicht im Wettbewerb zum klagenden Lieferanten stehen. Da die beiden Vonovia-Gesellschaften jedoch die Situation beim Abschluss des Mietvertrags nutzen, um der konzerneigenen Stromvertriebsgesellschaft durch ihre AGB Vertragsabschlusskontakte zu verschaffen, fördern sie den Wettbewerb eines Lieferanten und können von anderen Lieferanten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Das LG Hagen sah die „Opt-in“-Klausel als intransparent an, weil nicht erkennbar war, ob der Stromliefervertrag durch das Ankreuzen des vorgesehenen Feldes oder durch die Unterschrift unter den Mietvertrag oder aus der Kombination aus beidem erfolgen sollte. Daneben kritisierte das Gericht, dass durch die Klauselformulierung „Mit meiner Unterschrift beauftrage ich …“ eine gesetzliche Beweislast geändert wird. Nicht mehr entscheiden musste das LG darüber, ob eine generelle unangemessene Benachteiligung der potenziellen Mieter auch darin zu erkennen ist, dass sie sich zum Abschluss des Stromliefervertrags gedrängt sehen, um die eigenen Chancen auf den Abschluss des Mietvertrags zu erhöhen.

Um den Rechtsschein eines wirksamen Liefervertrages zu beseitigen, muss die Vonovia Energie Service GmbH nunmehr die Kunden über die fehlende vertragliche Grundlage der Belieferung informieren und diese Kunden notfalls beim Netzbetreiber abmelden, falls sie nicht ausdrücklich einen neuen Stromliefervertrag mit der Vonovia Energie Service GmbH abschließen.

Keine Übertragung des Auswahlrechts für den Messstellenbetreiber

Auch die in § 7 auf Seite 8 des Mietvertrages enthaltende Klausel, wonach der Mieter sein Auswahlrecht für den Messstellenbetreiber automatisch auf seine Vermieterin, die GAGFAH GmbH, „überträgt“, hält das LG Hagen für intransparent und damit unlauter. Bei einer „Übertragung“ des Auswahlrechts dürfte die GAGFAH GmbH den Messstellenvertrag im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abschließen. Dann liegt es in ihrem Risiko, ob sie die Kosten des Messstellenbetriebs im Rahmen der Betriebskostenabrechnung oder in der Miete selbst an den Mieter weiterreichen kann. Bei der von der GAGFAH GmbH aber tatsächlich gewollten „Bevollmächtigung“ gehe sie dieses Risiko nicht ein. Das war der Klausel aber nicht zu entnehmen. Offen lassen konnte das Gericht, ob eine zusätzliche unangemessene Benachteiligung der Mieter auch darin läge, dass die Klausel in § 7 des Mietvertrages vom gesetzlichen Leitbild der §§ 5 und 6 MsbG abweicht.

Auch die GAGFAH GmbH muss nunmehr die von der beanstandeten Klausel betroffenen Mieter über die Unwirksamkeit dieser Klausel informieren und damit ihren lauterkeitsrechtlichen Verstoß beseitigen.

Abschließend ist noch zu erwähnen, dass das mittels § 7 des Mietvertrages auf die GAGFAH GmbH übertragende Auswahlrecht für den Messstellenbetreiber der Mieter – unstreitig – zugunsten der Vonovia Mess Service GmbH ausgeübt werden sollte.

Das Urteil ist rechtskräftig.

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